In Aarau sind die Rückbauarbeiten an der 70jährigen bisherigen Kettenbrücke in vollem Gange. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Spezialisten, welche den Rückbau und den Baugrund für den Bau der neuen Brücke vorbereiten.
Der grösste Teil der Kettenbrücke ist bereits abgebrochen. Auf der Südseite liegt nur noch das Widerlager mit einer Vielzahl an Kabeln. Darunter ragt eine Platte hervor, die sogar noch von der originalen Kettenbrücke von 1850 stammt (Vorgänger derjenigen Brücke, die jetzt abgebrochen wird). Auf der Nordseite der Aare steht noch ein 35 Meter langes Brückenteil wie abgesägt. Ein Bündel abgebissene dicke Bewehrungseisen aus Rundstahl hängt verloren in der Luft. Weiter hinten auf dem Brückenteil der Abbruch-Bagger und darunterliegend das grosse Ponton, das herabfallende Beton-Teile auffängt. Während der Baggerführer oben mit der hydraulischen Baggerzange an der Brücke knappert, mal Eisenstangen, mal Betonteile erwischt und fein säuberlich sortiert, kontrolliert der Bootsführer des Pontons immer wieder die Position und passt diese, wenn nötig, an. Natur- und Fischereischutz haben hohe Priorität. Wenn immer möglich soll kein Abbruchmaterial in die Aare fallen. Dem Abbruch vorausgegangen sind sorgfältige Abklärungen und statische Verstärkungen für einen gesicherten Rückbau, damit stets die Stabilität der Überbleibsel gewährleistet ist.
Sicherheitsmassnahmen haben oberste Priorität
«Ein kontrollierter Rückbau hat oberste Priorität», bestätigt Roberto Scappaticci, stellvertretender Sektionsleiter Brücken und Tunnel, Abteilung Tiefbau des Kanton Aargau, der hier die Bauherrschaft vertritt. Verschiedene statische Verstärkungen wurden hierfür getätigt. Das im Norden verbleibende Brückenteil liegt auf ein Joch auf, dass in den Aare-Grund gerammt wurde. Um die beim Abbruch entstehenden horizontalen Kräfte quer zur Brücke aufnehmen zu können, wurden die Pendelstützen des nördlichen Widerlagers mit Betonscheiben ausgefacht. Mit drei vorgespannten Litzenanker wird das verbleibende Brückenfeld zum Erdreich zurückgebunden. Damit werden die Kräfte, die längs auf das Brückenteil einwirken, die tonnenschwere Last des Abbruchbaggers sowie die beim Abbruch entstehenden dynamischen Belastungen, in den Baugrund eingeleitet. Zusätzlich einbetonierte HEB-Träger verbinden die Brückenplatte mit dem Pfeiler. Dies damit sichergestellt werden kann, dass der Oberbau sich nicht vom Widerlager verschieben kann. Der auf der Brückenplatte stehende Bagger verkleinert sukzessive seine Standfläche unter den Baggerraupen. Für die letzten Teile wird der Bagger innert der nächsten Woche seinen Standort wechseln und die weiteren Abbrucharbeiten vom Floss aus tätigen. Während dem die Abbrucharbeiten noch in vollem Gange sind, ist die nächste Bauphase schon bis ins Detail geplant.
Spezialtiefbauarbeiten für die neue Aarebrücke
«Die beiden Widerlager bauen wir komplett neu auf», erklärt Scappaticci. Dafür wird an beiden Seiten als erstes ein Spundwandkasten (ca. 4 m auf 20 Meter) aus Spundwänden geschlagen. Die Stahlprofile werden ca. 9 Meter in den Boden gerammt und nehmen den Wasserdruck der Aare, des Grundwassers und des Erddrucks auf. «Derzeit sind wir noch am Klären, ob wir auf die Spundwände gegen die Stadtseite verzichten können. Dies hängt jedoch stark vom Grundwasserspiegel und von den Regenfällen ab», erklärt Scappaticci. Sobald die Spundwände geschlagen wurden kann der Spundwandkasten abgedichtet und ausgepumpt werden, so dass die Baugrube trockengelegt werden kann. Damit ist die Basis für den Neuaufbau gegeben. Die neuen Widerlager werden auf Betonpfählen fundiert, die im Spundwandkasten zu liegen kommen. Auch diese Pfähle gehen rund neun Meter tief in den Boden. Auf die Bohrpfähle kann nun die Bodenplatte gegossen werden und die neuen Widerlager können aufgebaut werden. Gemeinsam mit den Pfeilern dienen sie als Abstützung des Oberbaus, der in Etappen betoniert wird. Dafür soll ein Leergerüst in die Aare gestellt werden, damit das Schalen des Oberbaus und letztendlich das Betonieren möglich wird.
Neue Brücke aus fünf Bögen
120 Meter lang wird die neue Brücke. Sie besteht aus fünf Bögen. Zwei kleinere Bögen im Bereich der Aareuferwege und drei weitere, die sich über die Aare spannen und auf die neuen Pfeiler zu liegen kommen, die wiederum auf den bestehenden Fundamenten fundiert werden. «Die Fundamente der Brückenpfeiler aus dem Jahre 1949 mit den innen liegenden Senkkästen (Caisson) befinden sich in einem guten Zustand», erklärt Scappaticci. «Die ‹Caisson› werden auf Druck belastet und sind dadurch gut weiter verwendbar. Die beiden Widerlager werden neu auf Pfähle gegründet.» Warum erklärt Scappaticci so: «Als 1949 die bisherige Brücke gebaut wurde, war das schwerste Fahrzeug, das man kannte, eine 16tonnige Dampfwalze. Heute haben wir viel grössere Belastungen. Hier über die Aarebrücke geht die Schwerverkehrsroute. Das heisst die Brücke muss Belastungen bis zu 320 Tonnen aufnehmen können. Deshalb fundieren wir auf Pfählen. Mit den Pfählen werden die Lasten in den Baugrund abgeleitet. Dafür werden die Stahl-Rohre à 1000 mm Durchmesser mit dem Drehbohrgerät in den Boden gebohrt, bewehrt und danach ausbetoniert.»
Baugruben- und Verkehrssicherung
Von zentraler Bedeutung bei den ganzen Bauarbeiten ist die Sicherheit der Bauarbeiter und der Verkehrsteilnehmer. Während der dichte Autoverkehr schon seit Baubeginn praktisch ohne Einschränkungen über die 20 Meter entfernte Hilfsbrücke fliesst und somit ohne Einschränkungen funktioniert, gibt es bei den Baustellen-Installationen und Baugruben-Sicherungen immer wieder Herausforderungen. So führt der Verkehr beispielsweise sehr dicht an der Baugrube vorbei. «Eine Nagelwand mit Spritzbeton stellt sicher, dass oben der Verkehr weiterhin fliesst, das Gelände trotzdem hält und unten in der Baugrube sicher gearbeitet werden kann», so Scappaticci. Die Bauarbeiten an der neuen Brücke dauern noch bis 2022. Wie Scappaticci verrät ist man bereits einige Wochen im Verzug. «Mit der Hilfsbrücke haben wir aber eine Lösung, die funktioniert. Deshalb legen wir den Fokus auf Hochwertigkeit, Beständigkeit und Sicherheit», erklärt er. Ob die Brücke ein paar Wochen früher oder später in Betrieb geht wird den Aarauern schlussendlich keine Rolle spielen. Hauptsache sie hält wieder 100 Jahre.
Die Spezialisten der Gebr. Huber AG sorgen für einen fachgerechten Rückbau.
Text und Fotos: Anita Bucher