Mit einer Sprengung von 12’000 Kubikmeter Fels schützten die Experten der Gasser Felstechnik AG die Umgebung von Casaccia im Bergell (GR) vor weiteren Felsstürzen. Rund 3.5 Tonnen Sprengstoff wurden am 16. Juli 2020 um 13:30 Uhr präzise zur Detonation gebracht. Robi Haas, Leiter Sprengbetriebe bei Gasser Felstechnik und Baukader Mitglied in der Sektion Unterwalden, plante die Sicherheitssprengung auf dem steil abfallenden Felsen von langer Hand. Besonders wichtig dabei: Ein gutes Sicherheitskonzept.
Robi Haas: «Sicherheit hat immer höchste Priorität.»
Robi Haas, ihr musstest Notschlafplätze auf der Baustelle einrichten und Fluchtwege bestimmen. Habt ihr diese auch benötigt?
Zum Glück nicht, nein. Wir hatten lange Perioden mit gutem Wetter und keine plötzlichen Wetterumschwünge. Trotzdem musste alles auf den schlimmsten Fall ausgelegt sein. Ein grosses Thema waren dabei Gewitter. Hierbei können vor allem die Bohrlaffetten aus Alu und Stahl wie eine Nadel wirken und leiten. Somit musste alles geerdet sein. Vor Ort hatten wir einen geerdeten Mannschaftscontainer, in welchem man sich hätte in Sicherheit bringen können und alle Arbeiter waren über den Fluchtweg via Wanderweg instruiert.
Ihr habt den Fels vor Ort mit einer Telejointanlage überwachen lassen. Wie funktioniert das?
Für die Bohrarbeiten mussten sich unsere Leute zum Teil auch in die Gefahrenzone begeben, das heisst, sie standen dort, wo der Fels hätte abbrechen können. Natürlich waren da aber alle mit der persönlichen Schutzausrüstung angeseilt, sogar an zwei Seilen. Wir arbeiten da jeweils mit der Zweiseiltechnik: Eins ist ein Arbeitsseil und eins ein Sicherungsseil. Man ging zudem immer davon aus, dass es keinen Spontanabsturz geben würde. Diese sind sehr selten. Meist ist es so, dass der Fels langsam in Bewegung kommt, dies kann mit der Telejointanlage gemessen und dann rechtzeitig entsprechend reagiert werden.
Können bei der Sprengung Schäden an Mensch und Tier wirklich vollständig verhindert werden?
Normalerweise ja. Die Baustelle wurde bereits im Juni entsprechend abgesperrt und die Strasse ins Tal war sowieso gesperrt. Bei den Wander- und Bikewegen wurden ebenfalls frühzeitig an den entsprechenden Verzweigungen, beispielsweise in Bivio die Wege gesperrt und Hinweise errichtet, dass der Weg nicht mehr durchgängig ist.
Seit dem Beginn der Helikopter-Flüge hat auch das Wild das Weite gesucht. Dies wussten wir, da wir mit dem örtlichen Wildhüter ständig im Kontakt waren. Am Tag der Sprengung haben wir aber bereits um sechs Uhr früh noch zusätzliche Absperrposten um den Gefahrenbereich positioniert und das ganze Gebiet zur Kontrolle nochmals mit dem Helikopter überflogen.
Wohin fiel der Fels? Kann man vorgängig zweifelsfrei berechnen, wie weit die Felsbrocken stürzen?
Hierzu gibt es Vorschriften ja. Ein Sicherheitsradius von 300 Metern und 45Grad-Radius-Sturzwinkel ist gesetzlich vorgeschrieben. Die Sturzbahn wird jeweils vorher berechnet. Je kleiner die Stückigkeit der Felsabsprengung, desto kleiner sind die Schäden unten im Tal. In Boca Neira war das ganze darauf ausgelegt Felsblöcke kleiner als 5 Kubikmeter zu generieren und so die Folgeschäden an der Strasse möglichst klein zu halten. Dies ist uns gelungen.
Was hätte bei der Sprengung schieflaufen können? Wie bereitet ihr euch darauf vor?
Das Zündsystem hätte versagen können, wenn beispielsweise die Zündleitungen beschädigt sind. Im schlimmsten Fall wird nur ein Teil gezündet und es geht nur ein Teil des Felsen ab. Eine weitere Gefahr ist, dass mehr Fels abgeht, als geplant und sich wiederum frische Überhänge bilden. Um immer auf der sicheren Seite zu sein, bauen wir immer zwei Zündsysteme auf, damit dann, wenn eines nicht funktioniert innert Sekunden das zweite auslösen könnte.
Danke vielmals für Deine interessanten Ausführungen Robi.
Interview: Anita Bucher