Seit Mitte 2023 läuft die Sanierung der mittleren Tunnelröhre des drei Kilometer langen Gubristtunnels. Mittendrin der Anliker-Chefpolier Zoran Kocev und sein Team, die zusammen das Versetzen der Werkleitungskanal- Elemente (WELK) verantworten. Eine Geschichte von tonnenschweren Beton-Elementen, der Zusammenarbeit der ARGE GUBRI und Fahrzeugwenden im Tunnel.
Text/Bilder: Anita Bucher
Bereits die Baustellenzufahrt ist beeindruckend. Für die Anlieferung zur Baustelle wurde auf der A1 bei der Ausfahrt Affoltern eine eigene Ausfahrt eingerichtet. Diese führt durch eine Schranke ungefähr 700 Meter über landwirtschaftliches Land und über eine Hilfsbrücke quer über die Autobahn zum Installationsplatz der ARGE GUBRI südöstlich neben dem Portal der 1. Röhre. Hier in der offenen Industriehalle werden die Werkleitungselemente (WELK) vor Ort betoniert und auf dem Areal gelagert. Weiter vorne befinden sich die Mannschaftscontainer, sowie die Büros der Bauführer und der Bauleiter.
Zoran und ich fahren über eine weitere Hilfsbrücke vom Lagerplatz zum Tunnelportal Ost. Nun sind wir also zwischen den Fahrspuren der 1. Und der 3. Röhre. - Links und rechts donnert der Autobahn-Verkehr an uns vorbei. Bevor wir aber in den zu sanierenden Tunnel reinfahren können, muss Zoran uns anmelden. Aus Sicherheitsgründen wird jederzeit genaustens festgehalten, wer sich zu welcher Zeit im Tunnel befindet.
Umfassende Tunnelsanierung
Die vom Bundesamt für Strassen ASTRA in Auftrag gegebene Tunnelsanierung ist sehr umfassend. Die beiden bestehenden Röhren sind seit 1985 in Betrieb und entsprechen nicht mehr den aktuellen Anforderungen an die Sicherheitsvorgaben und das heutige Verkehrsaufkommen. Deshalb ist eine Totalsanierung mit verschiedenen Massnahmen notwendig.
So wird etwa die Bausubstanz und die Beschichtung der Tunnelwand erneuert. Das Offensichtlichste ist aber die Fahrbahnabsenkung um rund 30 cm. Damit kann die Fahrraumhöhe an heutige Anforderungen angepasst und die Zwischendecke höher gelegt werden.
Auch ein neues Entwässerungssystem wird umgesetzt. Denn bisher floss das Sickerwasser aus dem Berg in das verschmutzte Tunnelabwasser. Diese beiden Systeme sollen nun getrennt verlaufen. Das Tunnelabwasser fliesst neu in extra dafür zu erstellende Anlagen und wird erst nach der Reinigung in die umliegenden Gewässer geleitet.
Nebst der Fahrbahn werden also die ganzen Werkleitungskanäle unter der Fahrbahn und auch der obere Bereich des Tunnels mit der Tunnelzwischendecke neu erstellt. Zudem wird die Betriebs- und Sicherheitsausrüstung (BSA) komplett erneuert. Dafür werden alle 100 Meter Klappen in der Zwischendecke montiert, die im Brandfall den Rauch detektieren und dann automatisch abziehen. Ausserdem werden SOS-Nischen erstellt und sämtliche Kabel sowie Steuerungsanlagen ersetzt. Zudem wird der Tunnel mit neuen Löschwassersystemen ausgestattet.
Ausbauarbeiten von Ost nach West
Vorerst geht es aber um die Rohbau-Arbeiten. 85 – 90 Bauarbeiter der ARGE Gubri arbeiten derzeit in zwei Schichten im Tunnel. Zorans WELK-Brücke Team (36 Mann) ist nur eins davon. Auf unserer Fahrt zur WELK-Brücke passieren wir als erstes die Deckencrew mit dem Deckenschalwagen, dann die Crew, welche für die Nockenschalungen (an diesen Nocken wird die Decke später gehalten) zuständig ist.
Nach ungefähr einem Kilometer sehe ich die Fahrzeugdrehscheibe. Sie wird benötigt, um Beton- Fahrmischer und Kipper im Tunnel zu wenden. Dahinter die rund 160 Meter lange WELK-Brücke. Sie wurde eigens für das Versetzen der WELK-Elemente entwickelt, damit die vor Ort vorgefertigten WELK- Elemente, der Beton, Kies und anderes Material trotz fehlender Fahrbahn über die bereits versetzten Elemente sicher angeliefert werden können.
Taktgeber: Sohlbeton-Crew
Damit Zoran und sein Team arbeiten können muss die Sohlbetonfläche sauber betoniert und abgezogen sein. Nur so können die tonnenschweren Elemente möglichst präzise platziert werden. Taktgeber für das WELK-Versetzteam ist darum die Sohlbeton-Crew von Vorarbeiter Sandro Gullo. Auch sie ist mit einem eigens dafür entwickelten Sohlschal-Wagen unterwegs. Die Beton-Anlieferung erfolgt mit einem Fahrmischer, der über die ganze WELK-Brücke rückwärts navigieren muss.
Fussgängersteige als Fluchtwege
Seitlich der WELK-Brücke finden sich Fussgängersteige aus Schalbrettern an der Tunnelwand befestigt. «Fluchtwege», erklärt mir Zoran. Denn sollte in Tunnel 1 oder 3 ein Notfall auftreten muss Röhre 2 als Fluchtweg dienen. Damit sich aufgeregte, möglicherweise panische Menschen dann nicht zwischen WELK-Brücke und Bagger durchquetschen müssen, bauen Zoran und sein Team die Fluchtwege jeden Tag wieder dem angepassten Ausbau entsprechend um.
15 Tonnen schwere Element werden versetzt
Jedes WELK-Element ist drei Meter hoch, 2.5 Meter lang und rund 15 Tonnen schwer. Der benötigte Kran zum Versetzen eines Elementes ist in die WELK-Brücke bereits integriert. Acht bis neun Elemente werden derzeit von der Welk-Versetzcrew um den Vorarbeiter Lukas Röllin täglich versetzt, das Erste bereits um sechs Uhr früh. Dazu müssen die Elemente mit einem eigens dafür konstruierten WELK-Transporter (Multi Service Gantry genannt MSG,) à je zwei Stück zur benötigten Stelle transportiert werden. Verantwortlich dafür ist die zuständige Subunternehmung, Kern-Tunneltechnik aus Lugano, welche auch die WELK-Brücke angefertigt hat. Nach dem Versetzen der Elemente wird die WELK-Brücke um gut 20 m verschoben. Links und rechts neben den WELK sind die beiden Vorarbeiter Armend Ymeri und Abilio da Silva am Werk. Es wird eingekiest, Entwässerungsleitungen werden eingeschalt und betoniert. Das Team von Polier Rafael Meier, wird dann am Nachmittag die ganze Fahrbahn aufschütten und den ersten Betonbelag einbauen. So werden rund 26 Lastwagen Kies und Beton täglich verbaut. Dann wird bereits die nächste WELK-Etappe vorbereitet. Tag für Tag.
Lärm und Staub im Westen des Tunnels
Am westlichsten, auf der anderen Seite des Tunnels befindet sich die Rückbaucrew, welche Decke, Fahrbahn und Fahrbahnsohle herausspitzt. Sehen tue ich davon nichts, der grollende Lärm, der uns durch den leeren Tunnel erreicht lässt jedoch erahnen, welche Kräfte da am Werk sind.
Zwei Jahre dauert die gesamte Sanierung der mittleren Röhre. Mitte 2025 ist sie abgeschlossen und die Bauarbeiter ziehen in die 1. Röhre um, wo das Prozedere dasselbe sein wird. Voraussichtlich Ende 2027 wird der Verkehr dann in allen drei Tunnelröhren ungehindert rollen können. Spätestens dann sollte der Stau am Gubrist endgültig Geschichte sein.
Box:
Sanierung Gubristtunnel 2. Röhre
Bauherr: Bundesamt für Strassen ASTRA
Bauzeit: 2023 – 2024
ARGE GUBRI: Implenia
Anliker AG Emmenbrücke
WALO Bertschinger
Zoran Kocev führt als Polier 36 Leute in seinem Team, bestehend aus Anliker- Implenia- und Walo Personal.
Die Anliker AG ist hauptsächlich für die Aufschüttung, den Werkleitungseinbau und den Fahrbahneinbau zuständig.
Die Werkleitungskanal- Elemente (WELK) werden mit ein einem speziellen Transportfahrzeug über die WELK-Brücke angeliefert.
Täglich werden acht bis neun WELK-Elemente à je 17 Tonnen mit dem in der WELK-Brücke integrierten Kran versetzt. Polier Zoran Kocev nutzt den Fluchtweg als Beobachtungsposten.
Der Einbau der Tunnel-Sohle gibt für den WELK-Ausbau den Takt vor.
Damit die Fahrzeuge im drei Kilometer langen Tunnel nicht lange Strecken rückwärtsfahren müssen, gibt es eine Drehscheibe, um die Fahrzeuge zu wenden.