Weichen-Austausch im Zürcher Vorbahnhof
Wenn bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ein Stück Schiene oder gar eine Weiche ersetzt werden muss, erfordert das ein Zusammenspiel von vielen Playern. Baukader der SBB, sowie Gleisbaufachleute von WALO Bertschinger, Sersa, Vanoli und Müller Gleisbau arbeiten vor Ort mit Bauzügen und Maschinen eng zusammen, um im vorgegebenen Zeitfenster (Intervall) die geplanten Umbauarbeiten vorzunehmen.
Text und Fotos: Anita Bucher
Samstagmorgen, 19. Februar im Vorbahnhof Zürich: Auf den Nebengleisen werden heute eine Weiche und ihre angrenzenden Gleisstücke ausgetauscht. Vor Ort ist alles parat: Die neuen Schienenteile wurden auch bereits angeliefert. Drei Poliere und fast 20 Gleisbaufachleute sind vor Ort, um den Austausch vorzunehmen. Die grösste Herausforderung sei es die ganzen administrativen Aufgaben im Vorfeld zu lösen, erklärt mir Bauführer Michel Nett, der mich zur Baustelle begleitet.
Die notwendigen Maschinen wie Kran, Bagger, und Material-Förder-Silowagen (MFS) für den Schottertransport sowie das Material müssen frühzeitig reserviert werden. Auch die Schotterstopfmaschine muss gebucht, die Gleissperrung beantragt und die notwendigen Bauzüge rechtzeitig bestellt werden. Nicht zu vergessen die Abstellgleise, wo der alte Schotter und die Schienen später geparkt werden können.
Polier Dean Josic, der vor Ort die Hauptverantwortung hat, ist gut vorbereitet. Mit pinker Farbe sind die zu wechselnden Teile markiert. Mit grüner Farbe hat er zudem den Bereich markiert, der bleiben soll. «Bleibt» ist auf den Boden gesprayt.
Der Rückbau beginnt
Ab 10 Uhr ist das Nebengleis definitiv gesperrt. Maik Patzig, ein erfahrender Polier ist heute als Sicherheitschef und Backup von Dean vor Ort. Er bestätigt, dass die Fahrleitungen abgeschaltet sind. Es kann also losgehen. Während die Bauleute noch letzte Vorbereitungen tätigen, bringt sich hinter uns bereits der Kranzug in Position.
Das SAZ-Team (Sicherheitsanlagen und Zugsbeeinflussungs-Team) nimmt nun ebenfalls seine Arbeit auf. Unter Polier Pedro Ferreira sind die vier Monteure zuständig für die Motoren der Weiche, die Weichensteuerung, Weichenheizung, Stromkabel, elektronische Überwachung, die Zwergsignale und überhaupt die ganze Technik. Sie schneiden bereits fleissig bei den auszubauenden Gleisen die Kabel durch und graben die Zwergsignale aus dem Schotter aus.
Auf einem anderen Nebengleis bringt sich der Transportzug für den Abtransport der alten Geisjoche in Position. Die Männer beginnen die verschweissten Gleise an den alten Stössen mit der Trennscheibe zu zerschneiden. Minuten später ist es so weit, das erste Gleisjoch vor der Weiche ist geschnitten, der Kran bringt seinen Ausleger über dem Gleisstück in Position und die Männer legen die schweren Ketten um das Gleisjoch. Kurz darauf schwebt das tonnenschwere Element in der Luft. Jetzt müssen nur noch einige Kabel, die unter dem Gleis verlaufen, durchgeschnitten werden. Bereits senkt der Kran das ausgeschnittene Gleisjoch auf das nächste herauszuhebende Teilstück ab und die Gleismonteure legen die schweren Ketten nun um beide Stücke. Rundherum wischen sie die Schottersteine von den Eisenbahnschwellen – keinesfalls darf es herumfliegende Steine geben – dann werden die beiden Gleisstücke zum bereitstehendenden Flachwagen geschwenkt und aufgeladen. Dean läuft hin und her, gibt links und rechts Anweisungen.
Unterdessen arbeiten die Bauleute parallel mit dem Gasbrenner. In Kürze ist auch das nächste Gleisjoch passend geschnitten. Auch diese wird aufgeladen. Gleichzeitig bringt sich auf der anderen Seite der Weiche der Vanoliner, der Bagger, der für den Aushub des alten Schotters benötigt wird, in Position. Hinter sich hat er mehrere leere MFS-Wagen mit eigenständigen Motoren bereitstehen.
Vom Gleis auf die Raupen
Per Knopfdruck werden die bislang hochgestellten Raupen des Baggers heruntergedrückt, während sich die Gleisräder nun in die Luft heben. Kurz darauf ist der Vanoliner betriebsbereit und fährt auf Raupen über den alten Schotter bis zum letzten Gleisstück.
Mit dem Kran ist nun auch die grosse Doppelweiche rasch ausgebaut. Sie wird auf einen speziellen Weichentransportwagen (WTW) aufgeladen, der später (um die Überbreite zu kompensieren) schräg gestellt werden kann. Das letzte Gleisstück hängt bereits am Kran und wird weggeschwenkt. Eine Minute später beginnt der Vanoliner (Gleisbagger) seinen Aushub. Hinter ihm hat sich ein MFS-Wagen zum Schottertransport ebenfalls ausgegleist und auf Raupen gestellt. Der Aushub wird vom Vanoliner selbst via Förderband in den MFS befördert. Polier Dean nutzt die Zeit für eine kurze Lagebesprechung mit Kollege Maik. Bauführer Michel Nett wirft einen prüfenden Blick auf die Uhr: Sind wir noch im Zeitplan? Das Verladen der Gleise hat länger gedauert als berechnet. «Halb so schlimm», sagt Michel. Er hat genügend Reservezeit eingeplant und rechnet fest damit, dass der Rückstand wieder aufgeholt wird.
Bis um 20 Uhr dauert die Gleissperrung, dann müssen die neuen Gleise befahrbar sein. Währenddem der Vanoliner den Aushub vornimmt, werden auf dem Transportzug die ausgebauten Gleisjoche transportsicher festgebunden und das SAZ-Technikteam verabschiedet sich in eine Pause. «Schau, die neuen Gleise liegen bereits bereit und wir haben alles schon vorverkabelt», erklärt mir Technik-Polier Pedro.
Tetris mit neuen Gleisen
Der Aushubbagger füllt MFS-Wagen um Wagen. Hinter dem ersten MFS hat sich längst ein zweiter auf Raupen in Position gebracht. Fortlaufend wird der alte Schotter über ein Förderband vom ersten in den zweiten Wagen weiterverladen. Nach und nach füllen sich die Wagen, während sich das Gleisbett leert. Der Transportzug mit den alten Gleistücken und den schräg eingeklappten Weichenstücken fährt weg. Er wird parkiert, bis er dann am Montag ganz weggefahren wird. Die alten Gleisjoche werden später im Rückbauzentrum Hägendorf auseinandergenommen. Im Gegensatz zum Schotter, dessen Transportzug wird heute noch in die Deponie nach Hagedorn bei Pfäffikon fahren. Vorerst aber nähert sich ein weiterer Bauzug der im Schritttempo auf das Nebengeleise fährt. Es sind gefüllte MFS100-Wagen, die den neuen Schotter enthalten. Noch während der Vanoliner mit den letzten Metern Aushub beschäftigt ist, beginnt auf der anderen Seite bereits wieder das Einfüllen des neuen Schotters. Über ein 45 Grad abgedrehtes Förderband rieselt der Schotter ins leere Gleisbett. Ein kleiner Bagger verteilt das Material fortlaufend und eine Miniwalze verdichtete den Untergrund. In Kürze ist das erste Teilstück des Gleisbetts parat für die Neuverlegung. Am Kran hängt jetzt das neue Gleisjoch parat, um es zu platzieren. Sorgfältig wird es positioniert. Aber das neue Gleisbett scheint höher als das alte. Was ist schiefgelaufen? Kurz wird es hektisch auf der Baustelle. Dean springt hin und her, gleicht Zahlen ab und dann beruhigen sich alle rasch wieder. Alles in Ordnung, denn die vier Zentimeter Höhenunterschied sind gewollt. Auch das bestehende Anschlussgleis soll nämlich mit der Schotterstopfmaschine um vier Zentimeter angehoben werden. Diese kommt aber erst zum Einsatz, wenn alle neuen Gleisjoche verlegt sind. Dean kontrolliert jetzt den seitlichen Abstand des Gleisstückes zu einem Messpunkt und gleicht die Masse mit einer Kontrolltabelle ab. Alles in Ordnung. Es kann weitergehen. Oder eben doch nicht, denn während die Gleisbauer jetzt parat wären für das nächste Gleisjoch, dieses wortwörtlich sogar schon am Haken hängt, ist es das SAZ-Team das noch Zeit braucht. Geduldig warten Gleisbauer und Kranführer während die Techniker sich an einem Zwergsignal zu schaffen machen.
Auf der anderen Seite ist der Vanoliner in der Endphase mit dem Aushub. Nach und nach gleisen sich die gefüllten MFS-Wagen wieder auf. Es ist jetzt 15 Uhr. Wenn alles nach Plan läuft, werden die Gleisbauer gegen 19 Uhr fertig sein mit der Arbeit. Vorerst gilt es aber die neuen Schienen zentimetergenau einzubauen. Ein bisschen wie Tetris sei das, erzählt Bauführer Nett.
Stopfen und Schweissen
Gegen 17.30 wird die grosse Scheuchzer Schotter-Stopfmaschine das neue Gleis befahren und den Schotter förmlich unter die Schwellen stopfen, bis das gewünschte Höhe-Niveau erreicht und ein gleichmässiges Level erzielt ist. Ein Prozess, der wenige Tage später wiederholt wird, um allfällige Setzungen baldmöglichst ausgleichen zu können. Nach zwei bis drei Wochen erfolgt eine dritte Stopfung und nach einem Jahr sogar eine vierte, erklärt mir Michel. Zudem müssen die Gleisstösse der neuen Gleisstücke verschweisst werden. Bevor das Schweissteam kommt, müssen Dean und sein Team am Montag und Dienstag aber nochmals zwei weitere Weichen austauschen. Und dann steigert sich auch noch das Anspruchsniveau: Denn die Dienstags-Weiche muss rund sechzig Zentimeter Richtung Altstetten versetzt werden. Tetris für Fortgeschrittene.
Von den Gleisbauern ist wiederum viel Einsatz gefragt. Ist der Einbau aber erst mal vollbracht, sollten die neu verlegten Gleisjoche dann wieder 30 Jahre lang halten.